Aus dem Katalog zu dieser Ausstellung:
„We can beat the Sun As long as we keep moving“
(Paul Smith)
Unterwegs zu sein wird allenthalben als Tugend gewertet. Stillstand ist ungesund, Bewegung dagegen zeugt von Dynamik, von der Fähigkeit, dem eigenen Dasein mit kräftiger Hand und flottem Schritt Gestalt zu geben, und sei es, um für einen Arbeitsplatz den Wohnort zu wechseln.
Was es aber heißt, unterwegs zu sein, einen Weg wirklich zu gehen und nicht hilflos und erhitzt von richtungslosem Aktionismus in körperlicher ebenso wie in geistiger Hinsicht auf der Stelle zu treten, das ist ganz und gar nicht selbstverständlich, und es ist wieder einmal die Aufgabe der Kunst, uns die Möglichkeiten, die uns bleiben, vorzustellen. Rando Geschewski eignet sich in dieser Hinsicht vorzüglich, denn sein Weg ist gekennzeichnet von Richtungsänderungen und Wendemarken, die allesamt, persönlich oder in der Kunst, mit großer Intensität gelebt werden. Am Ende bleibt das sichere Gefühl, den richtigen Pfad beschritten zu haben. Oftmals eröffnen erst vermeintliche Holzwege Türen zu neuen Entdeckungen, die man sonst vielleicht übersehen hätte.
Die in diesem Katalog vorgestellten Arbeiten stellen ein Stück des Weges vor, den Rando Geschewski in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren gegangen ist.
Wer die Arbeiten des Künstlers aus den 90er- Jahren kennt, der ist nun gehalten, irritiert aufzuschauen. Damals wurde Geschewski für seine ebenso großen wie rätselhaften Bilder, seine verstörenden Motive bewundert. Mit Kraft und großer Geste waren da Farbschichten dick auf den Malgrund aufgetragen worden, Öl und Acrylfarbe erschien in atemberaubenden Kombination mit Wachstuch und knallbuntem Geschenkpapier. Fleischfarbene Flächen ließen auf Lebensformen bekannt- unbekannter Herkunft schließen, die Fremdheit muskulöser Typen mit amorphen Körpern übertrug sich als Verunsicherung auf den Betrachter und führte zu dem Schock, der im Aufeinandertreffen mühsam in Form gebrachter Alltagswelt mit dem Abstrakten und Abstrusen entsteht.
Eine Weile ging das gut. Doch Rando Geschewski richtet sich nicht in der Bequemlichkeit der Gewöhnung ein, weder als Mensch noch als Künstler. Entsprechend hart fällt der Bruch aus, der Richtungswechsel ist radikal, wenn auch bleibende Grundkonstanten auszumachen sind. Auf die exzessiven Formenspiele folgt Strenge, die Farbigkeit muss der Reduktion auf Schwarzweiß weichen, das Abstrakte dem Figürlichen. Die malerische Geste weicht akribischer Feinarbeit. Geschewski nutzt als Malgrund Transparentfolie, wie sie Architekten gebrauchen. Er schwärzt die Fläche mit Tinte und arbeitet dann mit der Rasierklinge Figuren - Menschen, Gesichter aus dem finsteren Grund heraus. Bei dieser Modellierungsarbeit entstehen verwegene Kerle mit wehendem Haar und und offener Jacke, Porträts von Billy Budd und von Mädchen aus der Nachbarschaft.
Grafische Elemente fanden sich schon immer in Geschewskis Bildern. Jetzt gewinnen sie die Oberhand und vertreiben die fleischigen Gesellen. Die Formen werden akkurater, die dargestellten Leiber bekommen ihr Leben nicht mehr durch die Farbe, sondern durch die Kontur. Entsprechend symbolhafter wird die Darstellung: In „The Last Sitting" etwa eine alte Frau, vornüber gebeugt, mit herausgetrenntem Rückgrat. Vorn im tiefen Schwarz eine Hand, die sich nach oben gedreht hat, an der Seite wie zum Hohn ein blauer Dekor-Streifen als Erinnerung an lustige Pop-Art-Zeiten: finsterer kann der Tod nicht mehr dargestellt werden.
Rückblick: Rando Geschewski wird 1963 in Berlin geboren. In den 70ern zieht er nach Rostock, lernt Bautischler, studiert in Heiligendamm an der Fachhochschule für Angewandte Kunst Innenarchitektur und Möbeldesign.
Er arbeitet als Innenarchitekt, später auch als Theatermaler, und kommt Ende der achtziger Jahre zu Erfolg durch originelle Möbelobjekte. Nebenbei studiert er an der Abendakademie der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 1990 beginnt er ein Studium der freien Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein in Halle. Nach dem Abschluss wird er Meisterschüler bei Werner Liebmann in Berlin und arbeitet als freischaffender Künstler sowie als Dozent an der Burg Giebichenstein und später an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung in Wismar.
Von allen Künstlern, dessen Werk Rando Geschewski im Lauf der Jahre geprägt hat, beeindruckt ihn einer am meisten: Rainer Weber aus Dresden. Tatsächlich erinnern dessen mit energischer Geste gezeichneten, mal detailliert ausgearbeiteten, oft nur angedeuteten und im Raum verteilten Figuren an Geschewskis phantastische Formwelten, an die bei aller Farbfreude immer auch zeichnerische Andeutung von Mensch, Tier und Pflanze. Dorthin kehrt Geschewski nun zurück. Die ausufernden Leiber werden zu kontrollierten Idolen.
Die Hinwendung zur realistischen Darstellung bedeutet allerdings kein Zugeständnis an Menschenbildungsutopien. Zwar will Geschewski seine Betrachter überraschen, verlocken, durchs Bild führen und letztlich immer wieder neu sehen lehren. Aber ein pädagogischer Anspruch versteckt sich nicht hinter dem Arbeiter „Hermann" oder dem „Cocain Son". Vielmehr ging es darum, durch Reduktion Distanz zu schaffen und die Mittel erneut auf ihre Verwendbarkeit abzuklopfen. Stillstand ist dabei nicht auszumachen, Geschewski schreitet mit großen Schritten in die neue Richtung, und nimmt alte Bekannte mit. Das Dekor früherer Jahre kehrt als zartes Muster aus fremdartigen Pflanzen in die Bilder zurück und dem Mädchen in „Glasschuhe im Garten" fehlt schon wieder das halbe Gesicht. Auch die Fleischberge von früher sind plötzlich wieder da, sie quellen unvermittelt aus dem Bauch von „Soapblowpopkate" heraus.
Geschewski bewegt sich mit seinen Arbeiten nicht im luftleeren, biografischen Raum, seine Wegbiegungen geschehen weder zufällig noch zum Selbstzweck.. „Wir leben in einer Zeit des Siegeszuges der Beliebigkeit", äußerte er unlängst.. „Die Geschwindigkeit wächst und Beziehungen zwischen uns und dem Begreifbaren werden schon vor der Sichtbarkeit weggezappt. Kunst als Konstante, als eigenes Universum ohne Grenzen ist anstrengend, erfordert Zuwendung und ein sich darauf einlassen'. Ruhepunkte sind nicht vorgesehen. Viele Installationen und Projektionen erwarten inzwischen von uns Zeit, in der wir ihnen huldigen müssen statt uns wiederum Zeit zu schenken." Das Verhältnis des heutigen Menschen zu Bildern zu befragen, ist ein Unterfangen, das Geschewski in seiner jetzigen Phase offensiv und energisch angeht. Alltägliche Bilder oder gar Bilder von Bildern, Mädels aus Pin-Ups, Motive aus „Star Wars", werden bei ihm nicht weggezappt, sondern perfektioniert, konserviert und dabei immer wieder von den Rändern her oder aus der Mitte heraus modifiziert und durch gezieltes Weglassen oder gar Zerstören in fremde, provozierende, auch erschreckende Bildwelten überführt. Ein Bildersturm ist das, der sanfter daherkommt als in Geschewskis frühen, expressiven Arbeiten, der sich aber bei genauerer Betrachtung als umso ätzendere Kritik entpuppt, weil er den derzeitigen Hunger nach Bildern in letzter Instanz unbefriedigt lässt und gerade dadurch verstärkt. Auch für Geschewskis neue Arbeiten braucht man Zeit - die der Schärfung der eigenen Wahrnehmung dienen kann und lange nachwirkt.
Die Kunst entkommt sich nicht, und sie kommt auch nicht zur Ruhe, wenn ihre Möglichkeiten immer wieder gegeneinander ausgespielt werden. Wohin dieser Weg nun führen wird, das weiß vermutlich noch nicht einmal Rando Geschewski. Doch jetzt schon säumen seinen Weg Werke von berückender Kraft und Schönheit.
Matthias Schümann |